Februarsonntag

Es war ein schöner Februarsonntag. Ein Sonntag, wie viele andere. Aber ein schöner.

Dieser Sonntag fängt zu spät an — um 7:18 schrecke ich im Bett hoch, weil ich gerade noch in einem Gummiboot durch eine überflutete Stadt gepaddelt bin. Gleichzeitig war ich auch mit einer Kamera im Wasser und filmte zwei Kinder, die neben dem Boot schwammen. Ich bin in Träumen oft an mehreren Orten und in mehreren Körpern gleichzeitig. Die Stadt, durch die wir fuhren, sah alt aus, windschiefe Häuser, dunkle Gassen, vor einigen Fenstern waren welke Blumen. Kann man in einem Boot bergabwärts fahren? In Träumen schon. Es war wie in einem reissenden Fluss. Wasser ist in meinen Träumen immer in Bewegung und ich habe nie eine Chance, ihm zu entkommen. Andererseits habe ich auch nie Angst — da ist nur dieses Gefühl, mitgerissen zu werden.

(Diese Träume habe ich schon oft in Einzelteile zerpflückt. Wird an anderer Stelle festgehalten.)

Um 7:35 Uhr fahren mein Fahrrad und ich los; mit Handschuhen, es ist noch kalt. Dreizehn Minuten später bin ich im Stall und schwinge die Mistgabel. Danach streife ich mit dem Monsterpferd durch den Wald, um 10:21 Uhr schreibe ich James eine SMS und wecke sie damit aus Versehen. Ich mache ein Foto vom Pferdehals.
Als ich an dem Ort vorbei komme, an dem gestern Abend die Mücken tanzten, schaue ich lange auf die Stelle in der Luft, aber da ist nichts. Kein einziges Insekt, kein seltsam elektrisches Licht.

Im Wald riecht es heute so gut, dass ich anhalte und tief einatme, bis mir schwindlig wird. Dann entdecke ich das sattgrüne Moos und finde es seltsam, dass an einem feuchten Februarmorgen die Luft so klar und die Farben so leuchtend sind. Ich möchte weinen, weil die Welt so schön ist.

Daheim koche ich einen Teller Nudeln, während ich gleichzeitig dusche und mich anziehe. Also, nicht genau GLEICHzeitig, aber fast. Immerhin in der richtigen Reihenfolge.
Ich entscheide mich wissentlich für die falschen Schuhe (die roten Turnschuhe, obwohl ich es war, die vorschlug, dass wir spazieren gehen könnten). Den neuen dünnen Mantel packe ich in die Tasche, es ist mit über zehn Grad an der Sonne viel zu warm, um mehrere Schichten zu tragen.

Im Zug schlafe ich sofort fast ein. Ich verfalle in die sogenannte Zugtrance: Musik im Ohr, Augen geschlossen, das Gefühl, eins mit dem Sitz zu werden, weil man sich so schwer fühlt. Das Schaukeln des Zuges macht müde.
Irgendwann setzt sich eine Frau neben mich, die nach altem Gemüseauflauf mit zu viel Knoblauch riecht. Mir wird schlecht.

James schenkt mir The little Book of Calm (Insider unter Black Books Fans), Badezusatz in Kugelform, eine Packung PopTarts, eine Tüte Kettle Chips, eine Schachtel Fingers, Süssigkeiten in Eighties-Verpackung und Good Omens von Terry Pratchett und Neil Gaiman. Und eine riesige Tragtasche voller Bücher, die sie beim nächsten Umzug nicht mehr verpacken will.

Wir spazieren irgendwo in der Nähe des Flughafens um und durch einen Wald und über eine Wiese, meinen Schuhen macht das erstaunlich wenig aus. James sieht aus, als wäre sie durch ein Schlammloch gewatet.
Es wird beschlossen, dass ich einen neuen Computer brauche und dass Jamesfreund ihn zusammenstellt und James ihn zusammenbaut. Und leider auch, dass ich die Teile bezahle.

Irgendwann mache ich mich auf den Heimweg. Im Zug höre ich Musik und lese ein seltsames Magazin. Dann fällt mir Zeug ein, das ich sofort aufschreiben muss. Als ich von der Bushaltestelle nach Hause laufe, fällt mir ein Motiv für das nächste T-Shirt ein: eine grellgrüne Sonne. Dazu werde ich den Froschkönig als Halskette tragen. Ausserdem wird es eine orange Wolke geben und einen gelben Tropfen.

Auf halbem Weg bleibe ich stehen und schaue in den Himmel. Es sind aussergewöhnlich viele Sterne zu sehen, aber ausser Orion erkenne ich kein Sternbild. Denke an meinen Vater.
Ich möchte sterben, weil der Himmel so schön aussieht.
Es riecht seltsam. Nach Sommer, nach Herbst. Ich kann den Geruch nicht einordnen und fühle mich verloren. Ich weiss nicht mehr, in welcher Jahreszeit wir uns befinden. Irgendwann werde ich nicht mehr wissen, ob ich mich im richtigen Körper befinde, wie in den Träumen. Ich werde mich bewegen wollen und schlussendlich merken, dass ich in einem Baum stecke und das mit dem bewegen erst einmal vergessen kann. Irgendwann werde ich aufwachen und neben mir stehen. Ist schon öfter passiert, aber irgendwann werde ich den Weg zurück nicht mehr finden.

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