unsinn 12.08.07

Die Luft ist noch kühl vom Regen der letzten Nacht und auf dem Fahrrad ist es vom Fahrtwind sogar richtiggehend kalt, so kalt, dass sich mir die Härchen auf den Armen aufstellen, und das passiert mir eigentlich sehr selten.
Ich wünsche mir den schmalen schwarzen Seidenschal um den Hals, aber der ist zu Hause, ich weiss sogar wo er genau hängt, was eher selten ist, meistens kann ich den Aufenthaltsort meiner Dinge nur grob erahnen.
Der Schal, der so dünn und fein ist, dass er zusammengeknüllt nur gerade so gross ist, dass er problemlos in jede Hosentasche passt, hängt an einer Stuhllehne, schwarzes Ding unter schwarzen Dingen, und ich weiss das auch nur, weil er mir gestern beim aufräumen in die Finger gekommen ist.
Im Dorf sehe ich auf der anderen Strassenseite ihr Auto und ein paar Schritte davon entfernt ihre Silhouette, schwarz vor dem übers Dach kriechenden Sonnenlicht, und ich lächle. Alles scheint perfekt, wie sie da steht, gerade, aufrecht, wie ein Denkmal fast.
Das Velo stelle ich beim Stall ab und spaziere zum Bahnhof, und jetzt wird mir warm, obwohl es noch nicht merklich wärmer geworden ist. Ich spüre, wie die Sonne von Minute zu Minute stärker wird und wie feucht die Luft tatsächlich noch ist.
Bei der Bahnhofspost werfe ich den kleineren der beiden Briefe ein, den grösseren will ich noch auf die Briefwaage legen, ich habe das Gefühl, er könnte zu schwer sein für eine Einfrankenmarke.
Als ich den Umschlag in den Briefkasten fallen lasse, fällt mir ein, dass ich doch auch noch gefütterte C6-Couverts gehabt hätte und es vielleicht besser gewesen wäre, so eines zu verwenden und bin im selben Moment nicht mehr sicher, ob es nicht vielleicht eher gefütterte C5-Umschläge sind, die noch irgendwo herumliegen. Ich schüttle den Kopf über das Zeug, das mir so einfällt und frage mich, ob ich irgendwann mal einen Schritt werde machen können, ohne dass ich dauernd an irgendwas denken muss, ob es mir vielleicht irgendwann gelingen wird, gar nichts zu denken und kurz ist da der Gedanke «vielleicht sollte ich doch mal anfangen zu meditieren» in meinem Kopf, aber nur ganz kurz, dann ist er schon wieder weg, verdrängt von einem anderen Gedankenfetzen.

Als ich in den Zug einsteige, denke ich «vielleicht wird das ja ein guter Tag» und finde, dass das eigentlich ein ganz angenehmer Gedanke ist und man das öfter denken sollte, weil vieles im Leben ist ja eine Einstellungssache und wenn man öfters mal einem Tag die Chance geben würde, ein guter Tag zu werden, würde man vielleicht auch öfter gute Tage erleben.

 

Und dann, aus heiterem Himmel, ist da dieser Spruch in einem Kopf, geschrieben von meinem Grossvater vor fünfzehn oder noch mehr Jahren, der Spruch, der bei mir zu Hause eingerahmt an einer Wand hängt: «Sei gut zu diesem Tag – er ist blind ohne dich.»

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