Auf See I.

Samstag, 17. Juni 2017, 11:57

Vielleicht habe ich letzte Nacht mal wieder von Wasser geträumt. Jedenfalls packt mich, als ich noch im Halbschlaf im Bett liege, eine unbändige Sehnsucht nach einem See. Da der mir liebste aller Seen allerdings mehr als 100 Kilometer von meinem Bett entfernt liegt, mache ich mich auf den Weg nach Rapperswil, um dort auf eines der Zürichseeschiffe zu steigen.

Ein paar Stunden später sitze ich auf dem Zürichseeschiff mit dem Namen «Limmat». Wir steuern gerade Richterswil an, in dessen Seebadi sich ein paar Leute im Wasser aufhalten.
Die weit entfernt liegenden Berge und Hügel liegen unscharf hinter einem halbdurchsichtigen Dunst verborgen, auch in Rapperswil, wo ich das Schiff betreten habe und von wo aus man normalerweise ein gutes Stück zwischen die sanften Hügelzüge sieht, ist es mit der klaren Aussicht nicht weit her. Die Hügel unmittelbar zu beiden Seiten des Sees jedoch sind scharfkantig und sauber konturiert, – solange das Schiff sich nicht zu weit von ihnen entfernt.

Ich sitze in der ersten Klasse im gedeckten Restaurantteil im Windschatten und trinke einen Hugo; ausser mir sind noch acht weitere Passagiere hier oben und auch im unteren Deck hat es für so einen schönen Tag nicht viele Passagiere. Auf der grossen Tafel mit der Aufschrift «Wädenswil» im Hafen ebendieses Ortes sind metallene Stacheln angebracht, die Vögel vom besetzen und vollkoten dieses Schildes abhalten sollen. Zu diesem Zwecke mögen die Stacheln dienlich sein, sie haben allerdings nicht einen Fan irgendeines Fussballclubs davon abgehalten, einen Sticker seines Vereins direkt über das «e» zu kleben.
Es ist ein sonniger aber windiger Tag und als wir Kurs auf die andere Seeseite nehmen, beginne ich zu frieren.

Ich habe mich von einem der zentralen Tische an einen Tisch am Rand gesetzt, damit ich besser aufs Wasser sehen kann, aber trotzdem packt mich ein gewisser Neid angesichts der kleinen Motor- und Ruderboote, ja sogar die Schlauchboote machen mich ein wenig eifersüchtig – eifersüchtig auf ihre Nähe zum Wasser. Auf dem Wasser ist es schön, aber im Wasser noch schöner, und obwohl ich fröstle, würde ich gerne einen Arm oder sogar ein Bein ins Wasser halten.
Der See liegt ruhig da, sieht weich und seidig aus, ab und zu, wenn eines der wenigen Schnellboote vorbeifährt oder wenn die «Limmat» sich in einen Hafen manövriert, bilden sich kleine Wellen, auf deren Krete sich das Licht bricht und die Wasseroberfläche glitzern lässt.
Kurz vor Meilen sehe ich aus der Ferne ein anderes Kursschiff: einen der beiden Raddampfer, der im Gegensatz zur «Limmat» gut besucht ist.
Auf der Reling – man könnte wahrscheinlich, und vermutlich würde jeder normale Mensch auch tatsächlich, «Geländer» dazu sagen, da wir uns ja immerhin auf einem Zürichseeschiff und nicht auf einem Hochseedampfer befinden – auf dem Geländer also, so merke ich, als ich meinen Fuss da absetze, klebt ein runder Sticker (Durchmesser ca. 25mm) mit dem Aufdruck «Jucker Farm».

Ich blicke mich um, geniesse die Landschaft, erinnere mich an eine Fahrt auf einem Rheinschiff während eines sommerlichen Wolkenbruchs und plane, demnächst bei Regenwetter ein Zürichseeschiffsreislein zu machen.

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