Dekoscheiss

Ich hasse Dekokram.
Ich liebe Dekokram.

Stunden kann ich verbringen mit dem Betrachten wunderhübsch eingerichteter Wohnungen im Vintage- oder Shabby-Chic-Stil. Es gibt heutzutage unendlich viele Quellen für einschlägiges Bildmaterial, es gibt Pinterest und WeHeartIt, es gibt dutzende tumblr-Blogs, die sich dem Thema widmen. Ich verbringe also viel Zeit vor dem Bildschirm, in Ehrfurcht erstarrend ob all den perfekt gestylten Wohnzimmern und Schlafnischen und Sitzplätzen.

Die Ehrfurcht lähmt mich von aussen, der Neid zerfrisst mich von innen, während ich durch seitenweise weichgezeichnete aber wohlgefärbte instagramgefilterte Fotos scrolle und leise vor mich hin schwärme und fluche.
Es gibt auch haufenweise DIY-Blogs, mit allerlei Anleitungen zum Herstellen von «Pretty Things».
Pretty things my ass.

Klar sieht es total schön aus, so ein selbergemachtes Blumen-Arrangement an der Wand. Gebastelt aus zerschnittenen WC-Rollen und ein wenig schwarzer Metallic-Farbe aus der Spraydose.

Und ja, aus alten Büchern gerollte Rosenköpfe auf mit grünem Papier umwickelten Drähten sind total hübsch.
Und ja, auch selber bestempeltes oder bemaltes Packpapier als Geschenkverpackung, dekoriert mit selbergestanzten Tags ist ausserordentlich nett anzuschauen.
Und klar, ein Mobile aus selber gefalteten Origamivögeln (aus echtem buntem Origamipapier, selbstverständlich) hat durchaus seinen Reiz.
Und eigentlich mache ich solches Zeug auch gerne. Ich habe letztes Jahr eine Kette gemacht aus in Streifen geschnittenen vergilbten Buchseiten, habe sie in den Mirabellenbaum gehängt und ein paar Fotos gemacht und keine Sau hat sich dafür interessiert. Jetzt hängt die Girlande bei mir über dem Büchergestell und ist mir beim Abstauben im Weg.
Ich erstelle gerne schöne Dinge. Notiz- oder Adressbücher aus Leder, Agenden, Blümchen aus alten Buchseiten, geknüpfte Armbänder, bestempelte Couverts, Klappkarten mit eigenen Fotos, ich nehme auch gern irgendwelche Texte von mir und tippe sie auf der Schreibmaschine ab, weil mir erstens das Geräusch der Tasten so gut gefällt und zweitens Texte auf Papier so viel besser aussehen als auf Bildschirmen.
Nur bleibt da immer die Frage: WOHIN MIT ALL DEM SCHEISS?
Wenn ich mich erkundige, ob Leute ein Adressbuch benützen würden, wenn sie eines geschenkt bekämen, lautet die Antwort durchwegs folgendermassen: «Eher weniger. Ich hab das alles im Smartphone!»
Auf die Frage, ob sie Notizbücher benutzen: «Ich schreibe doch gar nie was auf» oder «das geht doch am Computer viel schneller».
Dekokram verschenke ich grundsätzlich nicht, weil ich selber nichts damit anfangen kann (meine Wände sind leer, oben auf meinem Regal befindet sich eine bizarre Ansammlung von Objekten, die nur als «Deko» gelten weil sie halt da oben herumstehen: zwei PEZ-Donalds, zwei Mini-Kaugummi-Maschinen, ein kleiner Schublädchenschrank, zwei Bücherstützen mit Büchern dazwischen, eine Holzschachtel mit Schmuck drin, eine Kartonschachtel mit Kram drin, ein Emaillekrug, eine Emailletasse, drei Kastanien in drei Herbsten gesammelt, eine Christbaumkugel in Kuhform, zwei Kerzenständer).
Ich sehe einfach den Grund nicht, schöne Dinge aufzustellen. Eine getrocknete Blume sieht zwar schön aus, zwei bis drei Tage lang, dann aber sammelt sich Staub darauf. Abstauben liegt nicht drin, weil die fragile Schönheit sonst direkt unter dem Staubwedel zerbröselt.
Bilder aufhängen liegt nicht drin, weil in meiner Einzimmerwohnung nicht genug Wand frei ist, damit so ein Bild «wirken» könnte. Freistehender Dekokram ist in meiner Nähe ständig in Gefahr, mit grossem Schwung irgendwo hinuntergefegt zu werden, weil ich mit Armen und Beinen immer irgendwo dagegenstosse, wenn ich vorbeigehe. Spätestens wenn es ums Abstauben geht, wäre sowieso Schluss.
Für wen sollte ich den Kram auch aufstellen? Ich lebe allein. In einer Einzimmerwohnung. Es kommt kein Besuch. Ich habe zwei Stühle, von denen einer von Kleidern belegt ist. Ich habe kein Sofa. Meine Wohnung ist ausgesprochen nicht gastfreundlich. Nicht ungastlich, sonst würde ich mich nicht wohlfühlen, aber halt nicht für Gäste gedacht. Wer also würde Dekokram sehen? Ich. Und das auch nur selten. Ich bin nicht so viel daheim, eigentlich nur Nachts und vielleicht zwei halbe Tage am Wochenende. In der Zeit schlafe ich. Oder schaue Filme. Oder bastle vielleicht irgendwas (von dem ich dann nicht weiss, was ich damit machen soll). Aber ganz sicher freue ich mich nicht über die tolle Dekoration.

{juni/juli/oktober14}

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